Akteure

Staat

 

Gemessen an der großen Herausforderung, vor der alle Nationen der Welt stehen, sind die Regierungen weitgehend untätig geblieben. Durch die jahrelange Demontage staatlicher Autorität hat sich der Wirtschaftslobbyismus mit einer starken Vertretung von Partikularinteressen in den Vordergrund gedrängt. Nur die Politik kann aber institutionelle Leitplanken und systemische Sperren für das Verhalten von Produzenten und Verbrauchern schaffen, damit die Wirtschaft zu einem Kurswechsel der Nachhaltigkeit veranlasst wird. Die Gesellschaft insgesamt wird umso eher bereit sein, eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen, als die Lebensqualität (z.B. gesunde Luft, Zugang zu Bildungseinrichtungen, zu Erholungsgebieten, zu bezahlbarem Wohnraum) in Solidarität für alle Bevölkerungs-gruppen mit Vermeidung extremer Vermögens- und Einkommensunterschiede geschaffen wird.

 

Im deutschen Grundgesetz und da aus der Gemeinwohlbindung des Eigentums (Art.14) leitet sich nicht nur dessen Sozialpflichtigkeit ab, sondern auch seine Verantwortung für die natürliche Umwelt. Diese ist ausdrücklich nochmals in Art.20A festgelegt: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen“.

 

Durch eine Reihe von Gesetzen (z.B. Abfallwirtschaftsgesetz, Immissionschutzgesetz, Naturschutzgesetz, Erneuerbare Energien Gesetz), steuerlichen Maßnahmen (z.B. KFZ-Steuer, Kerosin-, Mineralölsteuer) und EU-weite Regelungen (z.B. Emissionszertifikatehandel für CO2) versucht die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung nachzukommen. Auch gibt es einen „Nachhaltigkeitsrat“, eine „Enquete-Kommission für Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität“ und eine Fortschreibung von „Nachhaltigkeitsindikatoren“. Da inzwischen große Teile der Wirtschaft vom Wandel zu einer umweltbewussten Entwicklung profitieren und in erheblichem Umfang Arbeitsplätze entstehen (allein durch die Energiewende, Energiesparmaßnahmen und Ausbau der erneuerbarer Energien werden hunderttausende neue Arbeitsplätze geschaffen) ist nicht nur die Politik sondern auch die Wirtschaft gespalten zwischen altem kurzsichtigen Wachstumsdogma und einer langfristig tragfähigen Entwicklung.

 

Zum Teil vertreten Landkreise (z.B. Miesbach, Fürstenfeldbruck, Bad Tölz) und Kommunen (z.B. Lauf a.d.P., Furth bei Landshut, Stadt München) bereits offensive Nachhaltigkeitsstrategien mit dem Ziel der Energieautarkie und der Förderung umweltverträglicher Lebensstile. Städte wie Haßfurt und Neumarkt haben Bürgerhäuser/-büros errichtet, um den Prozess einer nachhaltigen Stadtentwicklung bürgernah und in enger Verzahnung mit Agenda 21-Gruppen voranzutreiben.

 

In zahlreichen Initiativen entstehen Alternativen im Kleinformat, vom Biolandbau zum Fairen Handel, von Plus-Energie-Häusern zur Windkraft- und Solarindustrie, von Reparaturcafes, Stadtteilaktivitäten über interkulturelle Gärten bis hin zu globalen Forschungsnetzwerken. Diese vielfältigen Ansätze können der Politik Mut machen. Sie müssen von ihr „ins Großformat" übertragen werden . Der Umbau kann nur mit massiver Unterstützung durch die Politik realisiert werden. Das gilt erst recht für eine gerechte Gestaltung der Weltwirtschaft. (BUND, Brot für die Welt, eed, Wegmarken für einen Kurswechsel, Zusammenfassung April 2009, S.37).

 

Einige Kommunen haben sich Leitbilder für eine nachhaltige Entwicklung vorgegeben.

 

Von der „Agenda21-Gruppe Ottensoos“ wurde im Januar 2007 der Gemeinde Ottensoos ein „Leitbild für Nachhaltige Entwicklung“ als Entwurf vorgeschlagen (bisher ohne Umsetzung):

 

1. Wir bekennen uns zum Grundprinzip einer nachhaltigen Entwicklung nach der Rio-Konferenz von 1992 mit dem Ziel, in unsere Entscheidungsprozesse ökologische, soziale und wirtschaftliche Zielsetzungen gleichberechtigt einfließen zu lassen und zum Ausgleich zu bringen.

 

2. Nach einer systematischen Bestandsaufnahme in den Bereichen Ökologie, Soziales, Wirtschaft, entwickeln wir daraus ein kommunales Nachhaltigkeitsprogramm und zeigen den Stand der Umsetzung in einem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht auf.

 

3. Zur Entscheidungsfindung und Umsetzung zukunftsfähiger Projekte arbeiten wir eng mit der Lokalen Agenda21 zusammen in Einbeziehung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, Kirchen, Vereine, Unternehmen sowie interessierter Bürgerinnen und Bürger.

 

4. Unsere Maßnahmen sollen die Identifizierung der Bürger mit ihrem Ort, den Gemeinschaftssinn sowie die soziale und ökologische Verantwortung generationsübergreifend fördern. Durch Bildungs-, Kunst- und Kulturprojekte sowie richtungweisende Beispiele wollen wir für die Idee nachhaltiger Arbeits-, Konsum-, Wohn- und Lebensstile werben.

 

5. Die ortsansässigen Unternehmen wollen wir dazu motivieren, in ihrem operativen und strategischen Bereich Umwelt- und Sozialleistungen sowie Innovationen für ein dauerhaft tragfähiges Wirtschaften zu erbringen. Gleichzeitig bemühen wir uns um die Ansiedlung neuer Unternehmen, die unserem Leitbild der Nachhaltigkeit entsprechen.

 

6. Für die Bewahrung der Kulturlandschaft, für den Artenreichtum und für den Aufbau einer regionalen Kreislaufwirtschaft ist die Landwirtschaft ein Schlüsselbereich. Um gesunde Nahrungsmittel, regenerative Energie und Rohstoffe mit kurzen Transportwegen bereitzustellen sollen die im Gemeindegebiet vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen erhalten und gentechnikfrei bewirtschaftet werden.

 

7. Zu einer hohen Lebensqualität tragen neben einer ausgewogenen und zukunftsfähigen Arbeits- und Wirtschaftsstruktur auch die Stabilisierung und Wiederbelebung von Ökosystemen bei. Deshalb streben wir einen hohen Boden-, Wasser-, Klima- und Emissionsschutz an sowie einen geringen peripheren Flächenverbrauch.

 

Unternehmen

 

Die überwiegende Zahl der DAX-Unternehmen erstellt regelmäßig Nachhaltigkeitsberichte und entwirft Corporate Social Responsibility-Programme (z.B. SIEMENS AG, Deutsche Telekom). Oftmals fehlt es allerdings an entschlossenen Strategien zur Veränderung des Kerngeschäfts (z.B. Automobilindustrie zum Mobilitätsdienstleister, Energiewirtschaft mit Sparstrategien und Ausbau regenerativer Energiequellen). Etliche Unternehmen lassen ihr Umweltmanagementsystem von unabhängigen Stellen überprüfen (z.B. nach dem Environmental Audit and Management System- EMAS, oder der Internationalen Norm ISO 14 001ff.). Auch in der Metropolregion Nürnberg gibt es einige vorbildliche mittelständische Unternehmen (z.B. Neumarkter Lammsbräu, die möbelmacher, Faber Castell, Umweltbank), die das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung offensiv verfolgen. Unternehmen, die von vornherein den eigenen Erfolg mit gesellschaftlichem Wohlergehen und Umweltentlastung verbinden wollen haben sich z.B. dem Bundesweiten Arbeitskreis für umweltbewusstes Management (B.A.U.M.),  future e.V. , UnternehmensGrün oder der bürgerschaftlichen Bewegung Gemeinwohlökonomie (GWÖ) angeschlossen. Ihnen geht es vorrangig nicht um die Gewinnerzielung für Kapitaleigner, sondern um eine Wertschöpfung, die nachweislich verschiedenen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen (stakeholder value) gerecht wird.

 

Grundsätzlich ist von Unternehmen eine Solar- und Kreislaufwirtschaft anzustreben, in der die Wertschöpfungskraft und Einzigartigkeit der Natur in Berücksichtigung ihrer Grenzen genutzt wird (Natur als Obersystem, Wirtschaft als Subsystem). Gleichzeitig ist der Input von Stoffen/Energie absolut zu reduzieren und die Qualität der eingesetzten Materialien umweltgerecht zu optimieren (Öko-Design, bionische Konstruktion, reparatur- und recyclinggerecht).

Privathaushalte

 

In einem marktwirtschaftlichen System ist das Konsumentenverhalten wesentlich für die sozialen und ökologischen Auswirkungen verantwortlich. Durch bewusste Kaufentscheidungen (Verkehrsmittelwahl, reduzierten Fleischkonsum, Produkte mit Öko-Label, Bio-Lebensmittel, Grünstrom, Fair-Trade-Produkte etc.), aber auch Nicht-Kaufentscheidungen (Tauschen, Teilen, Selbermachen, Wegwerf-Vermeidung etc.) kann jeder einzelne mitbestimmen, ob und inwieweit ökologische und soziale Misstände bestehen bleiben oder vermindert werden.

 

Auswahl von Umweltlogos:

Durch Wiederverwendung, Neunutzung und Tausch von Gütern lassen sich Ressourcen sparen. Eigenarbeit mit Phantasie, Kreativität und Nachbarschaftshilfe können den Einkauf von Gütern und Dienstleistungen weitgehend überflüssig machen.

 

Autobesitzer reduzieren durch freiwillige Geschwindigkeits- oder Fahrtenbegrenzung und den Kauf energiesparender oder Elektrofahrzeuge den Treibstoffverbrauch – oder sie verzichten gleich ganz aufs Auto zugunsten von Fahrrad, öffentlichen Verkehrsmitteln und Carsharing. Die Notwendigkeit von Flugreisen wird kritisch hinerfragt. Durch eine partnerschaftlich abgestimmte Arbeitsteilung im Erwerbs- und Eigenarbeitsbereich, durch geldfreie Netzwerke, kann ein neuer Zeitwohlstand entstehen, verbunden mit einem Anstieg der Lebenszufriedenheit.  Glück entsteht in den frühindustrialisierten Ländern inzwischen bei vielen Menschen durch mehr Raum für soziale Beziehungen, persönliche Projekte und durch eine Verringerung materieller Bedürfnisse als durch deren Ausweitung.

Gerade Krisensituationen wie der Klimawandel, kriegerische Auseinandersetzungen und die Corona Pandemie  können Anstoß sein, unser Wirtschaftssystem neu zu überdenken und Änderungen einzuleiten, welche die Zukunftsfähigkeit und eine geringere Verletzlichkeit (Resilienz) einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft  sichern durch

  • Reduzierung (von Ressourcenverbrauch, von Überfluss und maßlosen Ansprüchen )
  • Regionalisierung (geringere Auslandsabhängigkeit, weniger Transporte, durch Eigenver- und -entsorgung)
  • Recycling (konsequente Kreislaufwirtschaft mit Abfallvermeidung und ökodesignten Produkten)
  • Reparatur (Verpflichtung zu Langzeitprodukten mit leichter Aufrüst- und Reparaturmöglichkeit)
  • Revitalisierung (Sanierung im weitesten Sinne von Böden, Häusern, Infrastruktur, Pflanzen und Tieren)
  • Regenerative Energie (Solar, Wind, Biomasse, Wasser)