Was heißt „Nachhaltige Entwicklung“?

Bereits 1972 warnte der Club of Rome vor den Folgen eines unbegrenzten Wachstums der materiellen Produktion und der Bevölkerung auf unserem begrenzten Planeten „Erde“. Die weltweite Industrieproduktion sowie das Wachstum der Bevölkerung (mit einer inzwischen abgeschwächten Wachstumsrate) sind seither weiter exponentiell gestiegen.


 

Wachstum der weltweiten Industrieproduktion

 

Bevölkerungswachstum mit mittlerer Prognose der UN bis 2100 (The 2010 Revision)


vgl. Meadows,D. u.a., Grenzen des Wachstums, Das 30-Jahre Update, Stuttgart 2006, S.6

 

Bevölkerung und Wirtschaft sind angewiesen auf Boden, Luft, Wasser, Nahrungsmittel, Rohstoffe und Energie („Quellen“). Im Gegenzug belasten sie den Boden, Luft und Wasser mit Abfällen und Schadstoffen („Senken“).

 

Obwohl einige Länder ihre Anstrengungen zum Umweltschutz verstärkt haben, ist der ökologische Fußabdruck der Menschheit mittlerweile so groß geworden, dass 1,5 Planeten vom „Typ Erde“ notwendig wären (Stand 2010: www.footprintnetwork.org). Der ökologische Fußabdruck wird als die Fläche bezeichnet, die erforderlich wäre, um die von der globalen Gesellschaft benötigten Ressourcen (Getreide und andere Nahrungsmittel, Holz, Fisch und Siedlungsraum) zu liefern und ihre Emissionen (z.B. Kohlendioxid) dauerhaft aufzunehmen. Er ist vom Global Footprint Network (GFN) mittlerweile für über 150 Länder berechnet worden. Würden alle Länder soviel natürliche Ressourcen für sich beanspruchen wie derzeit Deutschland (pro Kopf gerechnet), bräuchte die Menschheit ca. 3 Planeten in Gestalt unserer Erde (für die USA ca.5, für China ca.1). Schon heute überfordern die reichsten 20% der Erdbevölkerung mit ihrem konsumtiven Lebensstil das Regenerationspotential der Erde deutlich!

 

In der Forstwirtschaft wurde der Begriff der Nachhaltigkeit erstmals im 18.Jahrhundert vom kursächsischen Oberberghauptmann und Kammerrat H.C. von Carlowitz (Sylvicultura oeconomica oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht, 1713) geprägt, der aufgrund des einreißenden Holzmangels die Forderung aufstellte, nur soviel dem Wald zu entnehmen, dass die Nachkommenschaft wenigstens ebensoviel Vorteil daraus ziehen kann, wie sich die jetzt lebende Generation aneignet.

 

Durch den Bericht der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung („Our Common Future“ 1987) wurde die Weltgemeinschaft eindringlich darauf verwiesen, dass eine dauerhaft umweltgerechte Entwicklung nur dann möglich ist, wenn die ökonomischen Aktivitäten weniger material- und energieintensiv gestaltet werden und ein gerechter Ressourcenausgleich zwischen den wohlhabenden und armen Ländern stattfindet. Sustainable development erfordert nach dem Brundtland-Bericht „die Befriedigung der Bedürfnisse der Gegenwart, ohne zu riskieren, dass zukünftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“. Dabei müssen die industrialisierten Länder eine Vorbildfunktion hinsichtlich der technischen Entwicklung, der Produktion, des Konsums und ihres gesamten Lebensstils übernehmen.

 

In weiten Teilen der Fachdiskussion wird der komplexe Begriff der „Nachhaltigkeit“ in den Dimensionen „Ökologie“, „Ökonomie“, „Gesellschaft/Sozialer Bereich“, „Institutionen/ Partizipation“ untergliedert. Von der Zielgewichtung und Bedeutung für unser weiteres (Über-) Leben her gesehen verdient der Schutz der Natur bzw. die Berücksichtigung ökologischer Zusammenhänge die erste, die Gesellschaft (Kultur,Soziales,Institutionen, Partizipation) die zweite, die Wirtschaft (innerhalb des gesellschaftlichen Rahmens) die dritte Priorität, also

 

1. Sicherung des ökologischen Gleichgewichts

 

2. Entwicklung einer Gesellschaft, die menschliche Grundrechte garantiert und Wohlfahrt für alle in kultureller Vielfalt auf langer Sicht fördert (weniger in materieller, konsumorientierter Hinsicht)

 

3. Organisation der Wirtschaft als Subsystem der Natur und dienender Teil für die Gesellschaft, wiederum aufgeteilt in eine sich gegenseitig ergänzende Haus-, Erwerbs- und Gemeinwirtschaft

                                                                                                                                   

                                                                                                                                                         © Stahlmann

In der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro wurde die Aufmerksamkeit gezielt auf die ökologischen und sozialen Probleme gerichtet, die sich aus falschen Strukturen und Zielsetzungen des Wachstums der Weltbevölkerung ergeben. Zu diesem Zwecke wurde die Agenda 21 von 179 Staaten als weltweites Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert verabschiedet. Es richtet sich an alle Länder und dort an alle Ebenen staatlichen Handelns (Global, EU, Deutschland etc.), Programme für eine nachhaltige Entwicklung zu entwerfen. Die Politik soll über das Tagesgeschäft hinaus eine Vorstellung entwickeln, wie wir diese großen Herausforderungen bewältigen sollen und wie wir die Zukunft gestalten können.

 

 

Quelle: Bayer.StMLU, Bayern Agenda 21, München o.J. S.32

 

Aus der Trägheit und Lobbygetriebenheit staatlichen Handelns im nationalen, geschweige denn im internationalen Bereich, folgt aber, dass ohne eine aktive Bürgerschaft Strukturen und Verhaltensweisen, die nicht nachhaltig sind, keine rechtzeitige Änderung erfahren.

 

Auf die Kommunen übertragen bedeutet dies eine enge Zusammenarbeit von Mandatsträgern und Bürgern sowie die Förderung bürgerschaftlichen Engagements auch zwischen den Wahlterminen.

Die Kommunale Agenda 21 und auch die inter-nationale Transition Town-Bewegung verkörpern den Gedanken einer verantwortungsvollen Bürgergesellschaft und stellen ein wichtiges Instrument dar, im öffentlichen wie im privaten Bereich richtige Entscheidungen für eine nachhaltige Entwicklung zu treffen.